Das Leben, das Universum und der ganze Rest
Nach zu viel Sonne, Musik, Spazieren und schön und zu wenig Arbeit und Notwendig und doof suche ich jetzt nach der passenden Musik, passend für dieses Gefühl. Das mittlerweile im Bauch angekommen ist.
Für mich war Michael Jackson schon lange gestorben.
Seit der Grundschule, nämlich, und zwar genau seit dem Moment, als mir eine Freundin zugeflüstert hat, sie hätte im Fernsehen gesehen, wie er sich auf der Bühne in den Schritt griff. Also wirklich, wie eklig. Keinen Moment hätte ich auch nur erwogen, so jemanden gutzufinden.
Vorher erinnere ich mich an das Poster im Zimmer einer anderen Freundin, die war Michael Jackson hoffnungslos verfallen. Das mit dem Panther. Ich fand, die Frau darauf sei wirklich hübsch, hab aber das Gefühl gehabt, meine Freundin und ihre Passion nicht wirklich zu verstehen.
Und dann war da noch der Moment, als ich in unserer Plattenwohnung aus dem Fenster auf den schlammigen Hof sah und mir auch einmal dieser merkwürdige Gedanken kam. Das Prominente, die Leute aus dem Fernsehen, wirklich real waren. Dass es all das wirklich gab. Dass JETZT GERADE Michael Jackson irgendwo war und irgendwas machte. Jetzt. Jetzt! (Ich erwäge, die Drehbuchautoren von "Being John Malcovitch" zu verklagen.) Ich habe in der letzten Woche eine Filmpremiere gesehen und war davon beeindruckt, Regisseur und Schauspieler nach dem Film im Kino zu treffen. Alle meine Freunde die aus weniger provinzialischen Nestern kommen, finden das süß und belächeln mich. Als ich in der Pubertät anfing, auf Rockkonzerte zu gehen, habe ich, so scheint es, eine Familientradion gebrochen, so etwas nicht zu tun. Als Kind war mir der Gedanke, man könnte mit Promienten im selben Saal sein, Utopie. Sie waren weit weg und unwirklich. Wie unwirklich, das merkte ich, als ich versuchte, mir vorzustellen, Michael Jackson könnte jetzt gerade irgendwo etwas triviales tun. Vielleicht telefonieren, oder ein Sandwich essen. Und statt Sandwich dachte ich natürlich: Stulle.
Diese Gedanken gehören wohl hierher, in Netz. Zu all den anderen "Jacko war Teil meiner Kindheit" Texten in all den Blogs.
Wir stellen fest: Sie weiß immer noch nicht, wohin das alles führt. Ist aber gerade fröhlich durch die Wohnung gesprungen. Wegen einer Mail.
Projekt: Einfach genießen, solange es dauert - Läuft.
so i think i'm a little bit too lost and you too sane et clean compared to me
Ich war ehrlich zu X. und hab ihm gesagt, dass es mir letztes Mal ein bisschen zu krass war und ich immer nicht weiß, wie ich mit interessanten Jungs umgehen soll, von denen ich aber nichts will.
Dann kam dieser Satz und ich sitze hier und denke "ja, stimmt" und finde das Gefühl dabei ein bisschen unangenehm.
Eigentlich war ich fertig mit X., dem
Rumtreiber. Ich hatte ihm eine Chance gegeben und damit auch mir. Grenzen öffnen, in eine andere Welt hineinsehen und "damals, als ich in Frankreich war" wirklich interessante Menschen kennengelernt haben. Der Abend war nett gewesen, interessant und endete mit zuviel Bier (er) und einem etwas hastigen "Okay, ich muss jetzt wirklich gehen." (ich). Dann hatte ich erstmal genug.
Heute, Monate später, eine Nachricht, eine Einladung. Virtuell. "Möchtest Du meine Fotos sehen?" Fotos sehen geht. Und ich bin beeindruckt. In meinem Kopf wird auf einmal aus X, dem Rumtreiber, X. der Künstler. Künstler dürfen wohnungslose Tagediebe sein. Und noch so einiges. Ich staune also das Foto an und mein selbstironisches Über-Ich verzieht sarkastisch grinsend die Mundwinkel und lehnt sich mit verschränkten Armen von innen gegen meine Schädelwand, während es beobachtet, was in mir vorgeht. Wie er interessanter wird, dieser Mensch, wie ich ihn jetzt doch gerne besser kennen würde.
Soso, Phae.
Der geniale Plan war ja, mich bei ganz vielen Unis für ganz viele Studiengänge zu bewerben und ganz viele Motivationsschreiben zu formulieren. Wenn ich gezwungen wäre, auszurücken, warum ich unbedingt Journalistinsoziologinmediengedöhnsfachfrau werden will, dann weiß ich hinterher, ob ich Journalistin, Soziologin oder Mediengedöhnsfachfrau werden will. Oder was sonst.
Soweit der Plan. Er funktioniert nicht.
Aber ich bin ja auch noch nicht fertig.
Ich muss grinsen, weil ich eben Tippy Toes letzen Kommentar gelesen habe: "Ungewissheit schenkt einem lange wache nächtliche Stunden, die man mit Grübeln verbringt..."
Ich habe heute Nacht nicht geschlafen. (Wobei mir einfällt, dass im letzten Jahr gelernt habe: Nicht schlafen hat nichts mit dem Privileg zu tun, die Sonne aufgehen zu sehen. Offensichtlich ist es so, das Sonnen zwar unter- aber nicht aufgehen. Sie sind einfach irgendwann da und es ist hell.)
Und wenn vielleicht auch nichts anderes sich aus dieser Geschichte ergibt - mindestens habe ich einen Menschen gefunden, mit dem ich die gesamte Nacht hindurch, bis sieben Uhr früh Filme sehen kann.
Zwischendurch gab es viel Musik. Mit kleinen Geschichten und Details serviert, andächtig lauschend bei Kerzenschein und gründem Tee, eindringlich ans Herz gelegt. Genau so muss man Musik entdecken.
Dann durch morgentlichen Sonnenschein durch Parks, verschlafene Villenviertel, Industriegebiete und über Brücken lachend nach Hause radeln.
Der Wermutstropfen ist das Warten, bis man wieder voneinander hört. Was ein bisschen dauern kann, so wie Dinge liegen. Alles in allem aber ist alles ziemlich gut, gerade.
Morgen zieht mein marokkanischer Mitbewohner I., mit dem ich seit Oktober zusammengewohnt habe, aus. Heute haben wir unsere MSN Namen ausgetauscht und zum ersten Mal gechattet. Promt wünscht er mir zum ersten Mal eine gute Nacht und nennt er mich online "ma cherie".
Männer?
Franzosen?
Araber?
"Und zum Schluss möchte ich aber auch nochmal sagen, wie toll wir sind"
Sind wir schon. Meine tollen Freunde und ich haben gerade drei Stunden lang über Politik geredet. Wir haben uns vorbereitet: jeder hat das Programm einer Partei für die Komunal- und die Europawahlen vorgestellt, weil wir alle viel zu wenig wissen und informiert sein wollten. Dann haben wir noch ein bisschen diskutiert.
Das ist so schon ziemlich toll, aber noch toller, weil ich in Frankreich bin und meine Freunde in MeckPom. Ein Dankeschön an die moderne Telekommunikation, die auch das Gespräch strukturiert hat. Der, der das Handy in der Hand hält darf reden, keiner unterbricht, denn dann versteh ich am anderen Ende nichts mehr. Das hat hervorragend funktioniert und von unserer Diskussionskultur kann sich mancher Politiker eine Scheibe abschneiden.
Was bleibt, nach so viel politischem Input? Konfusion. Uns allen ging es so, dass uns nur noch bewußter wurde, wie wenig wir eigentlich wissen und verstehen von den großen Prozessen, um die es gerade geht, wie schwer es ist, sich eine Meinung zu bilden. Und wie gruselig der Gedanke, dass bestimmt viele viele Menschen noch unreflektierter wählen als wir.
Trotzdem. Toll, dass wir das gemacht haben. Meine Freunde gehen jetzt in unseren kleinen Studentenklub zur Ärzteparty. Ich geh ins Bett. Das erste Mal seit Wochen hab ich ein bisschen Heimweh.
Vor ein paar Wochen hat meine Freundin K. abends an ihrem Schreibtisch gesessen und am Rechner gearbeitet. Als sie aus dem Fenster auf den Hinterhof sah, fiel ihr ein Mann auf, der dort stand. Er lehnte an einer Wand und winkte ihr zu. Sie winkte zurück. Als er nach kurzem Hin und Her auf einmal seinen Schwanz in der Hand hatte und damit, so K., herum wedelte, hat sie gelacht. K. ist da hart im Nehmen. Sie hat sich ein paar Momente unterhalten lassen und irgendwann die Jalousien zugemacht.
Drei Stunden später steht sie ängstlich und mit weit aufgerissenen Augen in meinem Zimmer. Als sie nämlich das Ganze schon wieder vergessen hatte und in ihrem Hinterhof ging, um eine zu rauchen, war er da. Wartend? Auf einmal ist es nicht mehr witzig, sondern gruselig. Der fremde Mann ist viel zu real und sie nicht mehr so anonym und weit weg wie eben noch in ihrem geschützen Zimmer. Erschrocken ist sie in ihr Auto gesprungen und zu mir gefahren. Sie muss ein paar Stunden bleiben, bevor sie sich wieder nach Hause traut.
Schnitt. Es ist Wochen später, ein freier Tag und ich bei K. zu Besuch. Wir haben französische Musik gehört, Gnocci mit Roquefort gegessen und ein paar Folgen Sex and the City geguckt. Auf einmal wird das Zimmer hell, vom Hinterhof strahlt jemand mit einer Taschenlampe hinein. Immer wieder, blink blink blink, und genau ins Zimmer. Wir können das Zentrum des Strahls auf der Scheibe sehen. Und auf der gegenüberliegenden Wand.
K. bekommt große Augen und sieht mich erschreckt an. "Da ist es wieder! Da!" flüstert sie. Die Taschenlampe gab es schon mal, vor etwa einer Woche. Damals hatte sie einen furchtbaren Schreck bekommen, die Jalousien runtergelassen, die Tür verriegelt und anschließend noch mit einem Stuhl verstellt, sich ein Küchenmesser unters Bett gelegt. Was, wenn er ins Haus kommt, was wenn er raus kriegt, welche Tür ihre ist?
Erstmal lassen wir die Taschenlampe Taschenlampe sein und gucken weiter unsere Serie. Irgendwann ist es aber spät und ich will nach Hause. Das Leuchten macht Pausen, aber es kommt immer wieder zurück.
K. hat Angst. Sie traut sich nicht, aus dem Fenster zu sehen, wo das Taschenlampenlicht herkommt. Irgendwann tut sie es doch. "Er steht da, auf dem Vordach", sagt sie. Sie steht an eine Wand gepresst und passt auf, dass man sie von draußen nicht sehen kann. "Scheiße, dass ich kein Kerl bin", sage ich.
Ich wage mich vor, trete ans Fenster und sehe hinaus. Ich sehe den Schatten auf dem Vordach. Noch ein Stück vor. Dort steht ein Mann. Er sieht mich und sofort flammt die Taschenlampe auf. Er leuchtet in seinen Schritt. Wir lassen die Jalousien herunter und lassen ihn sehen, dass wir zu zweit sind. Dann sitzen wir im Dunkeln auf dem Boden und sehen uns an, mit laut klopfenden Herzen.
Was für ein Mann ist das? Was will er hier? Was macht man jetzt? "Ich habe auch Angst, zu schnell zu urteilen", sage ich. "Wer nach seinem Partner sucht, indem er vor Frauen in ihren Wohnungen herummastubieren will, soll das tun." Und, zugegeben: K. hat gelacht, vielleicht hat er sich ermutigt gefühlt. Vielleicht ist er ein netter Kerl und würde nie jemandem was tun.
Aber wo ist die Grenze? Dreimal hat K. jetzt schon die Jalousien runtergelassen. Das ist deutlich, oder? Wann ist es zu viel? Wann ruft man die Polizei? Und ist K. wirklich an allem, was jetzt geschieht, selber schuld, weil sie die Nerven behalten hat? Weil sie belustigt hingesehen hat, statt entrüstet aufzuschreien, davonzustürzen und entsetzt sie Fensterläden zuzuknallen?
Ich will ins Bett. Ich will nach Hause und kann nicht, weil zwischen der Haustür und meinem Fahrrad von K. vielleicht ein alter, geiler Bock mit einer Taschenlampe UND einem Ständer in der Hose auf uns lauert. Ich bin wütend. "Wie scheiße, welche Angst wir haben!" schimpfe ich. Zwei zitternde Häschen mit großen Augen, eingschlossen in einem kleinen Zimmer dessen Wohnungstür auf einmal verdächtig instabil aussieht. "Ein alter Sack und eine Taschenlampe reichen um uns instantan in eine ohnmächtige Opferrolle zurückzudrängen!"
Nach einer halben Stunde und einem vorsichtigen Blick aus dem Fenster, wage ich es doch. K. begleitet mich noch zu meinem Rad, zitternd schleichen wir durch den Flur und linsen aus der Tür in den - leeren - Hof. Als ich mein Fahrrad abschließe, gebe ich K. ihre Deodose zurück, die sie mir - für den Notfall - in die Hand gedrückt hat. Wir lachen über uns. Ich fahre los.
Ich glaube, heute Nacht schläft sie wieder mit dem verkeilten Stuhl vor ihrer Tür.